HEINRICH PEUCKMANN
Einer von uns, der schreibt
Jugendliche vergleichen sich. Was kann ich, was können die anderen? Was
ist normal an mir, was besonders? Und vor allem: Was ist merkwürdig an
mir?
Auch ich habe mich mit meinen Freunden verglichen und schon bald
festgestellt, dass etwas an mir anders war. Und zwar völlig anders! Ich las
nämlich gern. Wenn es regnete, zog ich mich in mein Zimmer zurück, lag
bäuchlings auf meinem Bett und las, den Kopf in die Hände gestützt, in
einem Buch. Abenteuerromane vor allem, die mich weit in die Welt
entführten.
Von meinen Freunden, deren Väter Arbeiter waren, Bergarbeiter zumeist
wie auch mein Vater, las niemand. War ich eigentlich normal? Selbst die
Verkäuferin in der Buchhandlung schien daran Zweifel zu hegen. »Junge!«,
rief sie, als ich mir eines Tages neue Lektüre besorgen wollte, »willst du
schon wieder ein Buch? Hast du die anderen denn durch?« Irgendwie,
merkte ich, fiel ich nicht nur in meinem Viertel aus dem Rahmen, sondern
in der gesamten Stadt.
Was mich trotzdem vor nagenden Selbstzweifeln schützte, waren meine
Fußballkünste. Wer bei uns Fußball spielen konnte, galt etwas. Und ich war
nicht schlecht. Also wurde mir eine »Macke« verziehen.
Mein Vater arbeitete auf Zeche Heeren, genauer gesagt auf Zeche Königsborn
II/V. Eines Tages kam er nach Hause und erzählte, dass einer seiner
Arbeitskollegen ein Buch geschrieben hätte, einen Roman, von dem jetzt
überall gesprochen würde. Er sagte es mit großer Verwunderung, aber auch
mit ein wenig Respekt.
Ich staunte. Ein Arbeiter, der nicht nur las, sondern sogar Bücher schrieb.
Dann war ich also doch nicht so unnormal. Und falls ich es doch war, dann
war der andere es in unvergleichlich größerem Maße!
Max von der Grün hieß er. Ein merkwürdiger Name, wie ich fand. Ein
Adeliger, so wie Annette von Droste-Hülshoff, konnte er nicht sein, denn
dann wäre er nicht Bergmann. Seinen Roman Irrlicht und Feuer habe ich
damals trotzdem nicht gelesen. Der Bergbau, in dessen Milieu er spielte,
interessierte mich nicht nur nicht, ich hatte sogar ein bisschen Bammel davor. [
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Heinrich Peuckmann | PDF
(Quelle: Literatur in Westfalen, Beiträge zur Forschung 9, 2008)